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Erfahrungen
Mein Name ist Sonja, ich bin 28 Jahre alt und komme aus der Nähe von Hannover.
Ich würde die Operation IMMER wieder machen, auch wenn sich mein Bericht negativ anhören sollte.
Vorgeschichte
Meine doppelseitige Hüftdysplasie ist angeboren. Meine Eltern wunderten sich, dass ich das Laufen nicht
lernte, obwohl ich mir so viel Mühe gab auf den Beinen zu bleiben. Erst nach 1,5 Jahren erkannte ein
Kinderarzt woran es lag. Meine Mutter war sehr geschockt, als ich ins Krankenhaus musste, um in einen
Froschgips gesteckt zu werden. Mein Vater hatte strickt etwas dagegen mich operieren zu lassen, bevor
ich ausgewachsen war, um meine soziale Entwicklung nicht zu gefährden (Kindergarten- und Schulzeit).
Dieses hatte zur Folge, dass ich im Teenager-Alter die ersten wirklichen Probleme mit den Schmerzen
bekam. Vorher hatte ich viel Sport getrieben und mein Muskelgerüst unterstützten die schwachen Knochen.
Als ich jedoch in die Pubertät erreichte, verlor ich das Interesse an Sport und meine Knochen mussten
nach und nach die gesamte Last tragen. Hinzu kam, dass ich ordentlich an Gewicht zunahm, da ich
mittlerweile auch vom Sport befreit war. Als behindert wurde ich von meinen Schulkameraden nie angesehen,
aber dafür trafen mich die Hänseleien auf Grund meines starken Übergewichts. Da ich es jedoch schaffte
mein Übergewicht mit einem großen Anstrengungsakt, kurz vor dem Abitur wieder zu verlieren, hatte ich
bezüglich meiner Hüften eine weitere Gnadenfrist erworben, so dass ich mich erst kurz vor Beendigung
meines Studium das erste Mal im Annastift in Hannover vorstellte, um zu klären was bei meinen Hüften
überhaupt operativ verbessert werden konnte. Bis dato hatte ich keinerlei Informationen über die
Möglichkeiten. Ich war davon ausgegangen, dass ich wohl vollständig neue Hüften aus Metall bekäme.
Die Ärzte im Annastift schlugen mir jedoch eine Tripleosteotomie und eine Varisierungsosteotomie vor.
Allerdings könnte ich mir noch Zeit mit der Operation lassen sofern die Schmerzen erträglich seien,
da noch keine Arthrose eingesetzt hatte. Ich entschied mich erstmal in meinem erlernten Beruf Fuß zu
fassen und verschob die Gedanken an eine Operation.
Verzweiflung
Da ich mein Leben lang mit latenten Schmerzen gelebt hatte, gab es für mich anfangs keine Verzweiflung.
Erst als ich knapp zwei Jahre gearbeitet hatte, veränderten sich meine Schmerzen. Fast durchgehend
hatte ich in meinen Hüften stechende Schmerzen, mein Gangbild verschlechterte sich zusehends und
Muskelentzündungen in den Oberschenkeln kamen regelmäßig hinzu, die nur noch durch Kortison-Spritzen zu
lindern waren. Es musste was geschehen und so wurde ich erneut im Annastift vorstellig im Oktober 2011.
Annastift in Hannover
Auch wenn ich mittlerweile 3 Jahre Zeit hatte, mich auf diese Operation vorzubereiten, hat mich das
gesamte Erlebnis unvorbereitet getroffen. Denn keine Unterredung mit einem Arzt kann einen wirklich auf
dieses einschneidende Erlebnis vorbereiten. Die bloße Aneinanderreihung von Fakten, wie eine Operation
verläuft und was man danach darf und was nicht, zeigt einem in keinem Fall auf, auf was man sich
tatsächlich einlässt. Viele Sachen muss man vorher klären, besonders wenn man noch nie in seinem Leben
eine Operation gehabt hat. Es ist zwingend notwendig viele Fragen zu stellen. Mir hat man zum Beispiel
vorher nicht mitgeteilt, dass ich ein halbes Jahr nicht arbeiten gehen kann. Ich bin von maximal 4
Monaten ausgegangen. Außerdem hat man mir erst nach der Abschlussuntersuchung (nach 12 Wochen) erklärt,
dass das Krankenhaus der Meinung ist ich solle nicht in die Reha gehen. Leider war sie da schon
beantragt.
Vorbereitungszeit
Es ist zwingend notwendig vorher zu wissen, wo man die 10 Wochen verbringen wird, nachdem man aus dem
Krankenhaus entlassen wird. Man kann nämlich rein gar nichts, wenn man entlassen wird, außer unbeholfen
auf zwei Krücken 10 m auf dem Flur laufen. Die notwendigsten Dinge werden einem im Krankenhaus
mitgegeben. (Ein Sockenanzieher, eine "Helfende Hand", ein besonderes Sitzkissen, die Krücken und eine
Kloerhöhung mit Beinausschnitt der operierten Seite. Der Rollstuhl und das Krankenbett werden vom
nahegelegenen Sanitätshaus geliefert. Eine Ergotherapeutin im KH kümmert sich um die Lieferung. Es
handelt sich hierbei um Sachen, die wirklich sinnvoll sind. Trotzdem ist man auf familiäre Hilfe
angewiesen. Ich war so unbeholfen, dass ich nicht mal wusste wer für welche Kosten aufkommt, und was
ich tragen muss. (Rezeptgebühren zwischen 5 und 10 € für jedes Hilfsmittel und 10 € pro Tag im
Krankenhaus).
Operation und Krankenhauszeit
Am 29.08.2012 war es endlich soweit. Es war der nächst mögliche Termin. Ich musste fast ein Jahr warten.
Eine lange Zeit um Angst zu bekommen. Man fühlt sich sehr alleingelassen in der Wartezeit. Einen Monat
vor der Operation musste ich Medikamente und die Pille absetzen. Zwei Wochen vor der Operation wurde
ich zum Anästhesiegespräch gebeten in Verbindung mit der Eigenblutspende. Achtung, ist der Eisenwert
schlecht, kann man kein Blut spenden. Meiner war Gott sei dank gut. Aber es ist vielleicht trotzdem
ratsam vorher schon die Eisenpräparate zu nehmen, um eine lange Anreise zum Operationsort nicht noch
ein zweites Mal machen zu müssen. Im Annastift wird das Blut allerdings nicht abgenommen, dazu muss
man zur MHH, aber die ist nicht weit und leicht zu finden.
Einen Tag vor der Operation reiste ich an. Mehrere Untersuchungen wurden gemacht. Man muss sich bewusst
sein, dass es auch dann noch passieren kann, dass die Operation abgesagt wird, weil die
Entzündungswerte im Blut zu hoch sind (Einer anderen Patientin ist das passiert). Dieses kann zum
Beispiel mit Erkältungen oder Zahnproblemen zusammen hängen. Davon wurde ich leider vorher nicht
informiert, aber es kann zu einer starken psychischen Belastung werden, wenn man so kurz vor dem Ziel
wieder nach Hause geschickt wird. Für die Operation wurde mir eine PDA empfohlen, gegen die Schmerzen.
Es ist zwar anfangs unangenehm, würde ich aber wieder machen, wenn ich nochmal vor der Frage stehe.
Meine Operation dauerte 4 Stunden und ist ohne Komplikationen verlaufen. Dennoch fühlte ich mich als
hätte mich ein Bus überfahren. Die Hüft- und Wundschmerzen hielten sich in Grenzen, aber mit den
normalen Folgen einer Operation und der Narkose hatte ich stark zu kämpfen. Besonders die Luft im
Bauch und die Stuhlgangprobleme waren für mich entsetzlich. So schlimm, dass ich es bereits bereute
mir dieses angetan zu haben.
Ich war 13 Tage im Krankenhaus und in der ersten Woche fast bewegungsunfähig. Hinzu kam, dass ich total
sensibel war und entsetzliche Stimmungsschwankungen hatte. Nach 4 Tagen sollte ich das erstemal
aufstehen, aber es endete in einem Heulkrampf, beim zweiten Mal in einer Ohnmacht, da mein Kreislauf
erheblich abgebaut hatte. Auch das am Bettrand sitzen zum Essen wollte nicht gleich klappen. Jeden
Tag kamen Physiotherapeuten, die einen mobilisieren sollten und Lymphdrainage machten. Als ich
entlassen wurde, konnte ich mich allerdings gerade so auf den Krücken halten und schaffte es kaum bis
zum Klo. Lymphdrainage ist nötig um die Wundflüssigkeit wieder aus dem operierten Bein rauszukriegen.
Nach der Operation passte mir keine einzige meiner Hosen mehr, wegen des geschwollenen Beins. Ich
hatte die völlig falsche Kleidung eingepackt. Drei Operationsnarben werde ich zurückbehalten, die
allerdings von innen genäht wurden, so dass sie wirklich nicht schlimm aussehen. Eine am Po, eine
außen auf der Hüfte und eine, die im Schambereich beginnt und dann 30cm hoch auf die Hüfte läuft.
Was mir allerdings nicht ausreichend bei dem ersten Gespräch verdeutlicht wurde, ist dass das
Taubheitsgefühl auf der Haut (nicht nur im Narbenbereich) sehr intensiv ist und sehr lange anhalten
wird, so dass man irgendwann Angst bekommt, dass es so bleiben wird. Wenn man entlassen wird, wird
man liegend nach Hause transportiert. Jetzt kann man nur hoffen, dass zu Hause alles bereit ist.
Die Zeit zu Hause
Für die Zeit zu Hause wird man gar nicht vorbereitet. Man bekommt im Informationsgespräch eine Liste was
man in welcher Woche darf. Theoretisch ganz gut, aber praktisch fürs tägliche Leben unbrauchbar. Wo
werde ich schlafen? Sind Stufen zu überwinden? Sind die Türen breit genug, um mit Krücken
durchzukommen? Habe ich einen Platz um meine Krücken neben dem WC abzulegen?
Und das Duschen ist eine besondere Qual. Denn lange auf einem Bein zu stehen muss man sich erst
erarbeiten. Man muss sich alle Freiheiten nehmen können wenn man zu Hause ist, und dennoch muss einem
bewusst sein, dass die Menschen, die einem helfen müssen auch noch ihren Platz im Haushalt brauchen.
Ich bin für die Zeit nach meiner Operation zu den Eltern meines Freundes gezogen. Eine absolute
Mehrbelastung in ihrem Alltag. In den ersten 5 Wochen zu Hause, haben sie mir jedes Essen in mein
Zimmer gebracht, mir meine Wäsche gewaschen und sind für mich zum Arzt gefahren, um meine Medikamente
zu holen. Dieses geht allerdings nicht, wenn der Betreuer Vollzeit arbeitet. Der Hausarzt zog meine
Fäden bei einem Hausbesuch und hat prompt einen vergessen. Kein Wunder, er wusste ja auch nicht genau
wo sie sitzen. Man bekommt 2 Mal in der Woche Krankengymnastik und Lymphdrainage zu Hause. Die elende
Zeit des Wartens beginnt und der unangenehmen Gewichtzunahme. Plötzlich hat man das Gefühl der Tag
bestünde nur aus essen und Warten auf Essen. Das Fernsehprogramm ist schnell langweilig und auch dem
Lesen ist man bald überdrüssig. Man läuft Gefahr dauernd schlechte Laune zu haben und diese am Partner
auszulassen. Dieser leidet jedoch sowieso schon mit, denn ein Beziehungsleben ist eigentlich nicht
möglich in den 12 Wochen nach der Operation, daher sollte er frühzeitig in alle Konsequenzen
eingeweiht werden. Positiv ist allerdings, dass einem irgendwann egal ist, dass man sich selbst
Thrombosespritzen setzen muss. Ich hatte früher immer panische Angst vor Nadeln, inklusive Ohnmacht.
Nach der 6 Woche hatte ich meine Zwischenuntersuchung. Lange warten, kurzes röntgen und kurzes
Gespräch. Es war nicht sehr aufschlussreich, aber die einzige Information war: Es ist nichts verrutscht.
Ich bin übrigens als Beifahrer gefahren. Es gibt tatsächlich Fortschritte, aber in meinem Alter sind
die nicht schnell genug. Denn zu wirklichen Fortschritten ist man erst wieder im Stande, wenn man
Belasten darf, und das ist erst nach 12 Wochen. Vor der Operation habe ich mir eingebildet, dass ich
nach 12 Wochen wieder fit sei. Ich weiß auch nicht wieso. Fakt ist, dass man in der Regel nach 12 Wochen langsam
beginnt, die Belastung zur Vollbelastung zu trainieren, nachdem das Okay vom Arzt bei der
Abschlussuntersuchung kommt.
Damit meine Aufbauzeit so schnell wie möglich geht, habe ich eine Reha beantragt. 3 Monate bin ich bereits
aus dem Job. Es kommt mir wie eine Ewigkeit vor.
Verzweiflung die Zweite
Nach meiner Abschlussuntersuchung folgte eine weitere Phase der Verzweiflung. Obwohl ich mich schon
viel vor der Operation um Informationen bemüht hatte, war ich von dem Ergebnis doch sehr geplättet.
Selbst nach 12 Wochen war der Beckenknochen nicht völlig verheilt. Und ich darf jetzt nur pro Woche
10kg auf mein Bein bringen. So war das im Merkblatt nicht beschrieben worden. Dort stand, ab der 13
Woche können die Krücken abtrainiert werden und man soll möglichst laufen, laufen, laufen. Für einen
Laien wie mich klingt das als könne ich laufen und hätte mit gelegentlichem Muskelkater zu tun. Das ich
jetzt aber mehr als 6 Wochen für das abtrainieren brauche, hat mich völlig frustriert. Die Reha, die
ich beantragt habe, gefiel dem Arzt auch nicht. Das wäre zu anstrengend für die Heilung. Das hätte
man mir vielleicht auch vorher mitteilen sollen. Sollte die Reha genehmigt werden, nutze ich sie,
denn ich brauche unbedingt Tapetenwechsel.
Fazit
Ich habe mich durch diese schwere Zeit gekämpft, aber was sind schon 12 Wochen von einem ganzen Leben
in Prozent ausgedrückt. Gut, ich bin mit kämpfen noch nicht ganz am Ende, da ich ja immer noch nicht
wieder laufen und arbeiten gehen kann. Ich denke allerdings, dass ich für meine zweite Operation besser
vorbereitet bin und weiß wodrauf ich mich einlassen werde. Sollten sich keine Komplikationen mehr
einstellen, werde ich auch wieder den Annastift wählen, denn ich denke, dass die Chirurgen ihre
Arbeit gut gemacht haben und darauf kommt es für mich an. Das Krankenhaus ist zwar, was die Zimmer
angeht, etwas veraltet. Man wird vielleicht auch nicht so umsorgt, wie sich das mancher wünschen wird,
aber auch hier zählt: Es sind nur zwei Wochen, auch wenn sie einem verdammt lang vorkommen.
Sonja-Beate, 25.11.12
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