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Erfahrungen
Hallo, mein Name ist Sarah, ich bin 18 Jahre alt und möchte Euch hier
gerne meine Erfahrungen mit der Hüftdysplasie und wie ich vom Leistungssport zur
Krankengymnastik kam, erzählen.
Meine Vorgeschichte:
Meine Hüftdysplasie wurde bei mir erst mit 16. Jahren festgestellt, obwohl es
vorher genügend Anzeichen gab. Bereits bei der U3 stellte mein Kinderarzt eine
ungleiche Abspreizung fest und überwies mich ins Kinderklinikum zum Ultraschall:
"Alles in Ordnung", war ihr Fazit.
Aufgrund von einer Nierenerkrankung wurde ich im Alter von 3 bis 7 Jahren oft
geröntgt, aber auch hier entdeckte keiner die Fehlstellung. Mit 5 bekam ich von
einem Orthopäden dann Einlagen gegen X-Beine verschrieben, aber nach der Ursache
für diese suchte er nicht.
Da ich ja ausser "X-Beine" angeblich nichts hatte, begann ich Fussball zu spielen.
Ich war das einzige Mädchen bei uns im Verein und spielte mit Begeisterung. Mit
7 Jahren knickte ich dann das erste Mal mit dem rechten Fuss um. Doch dies war erst
der Anfang. Es folgte eine totale Bänderüberdehnung am rechten Knöchel, eine
Achillessehnenverdrehung, ja und auch der linke Knöchel blieb nicht verschont.
Doch Sport war mein Leben. Im Gymnasium war ich in der Fussballschulmannschaft,
bald auch in der Basketballmannschaft, und zuletzt spielte ich Hockey. Zu den
Beschwerden an den Knöcheln, inzwischen mit Bandagen ausgestattet, kamen dann
noch Beschwerden an den Knien hinzu.
"Kommt vom Sport, ganz normal, besser dehnen, dann geht`s."
Verzweifelung:
Das ganze endete Mitte der 11. Klasse, als ich beim Aufwärmen wegen eines
stechenden Schmerzes in der rechten Hüfte mehr oder weniger zusammenbrach. Die
Hausärztin überwies zum Orthopäden. Der Orthopäde diagnostizierte eine schwere
Hüftdysplasie. "Zwei Wochen ein Diclofenac-Präparat, dann hat sich das." - Schön wäre es gewesen!
Hierauf folgte dann der reinste Ärztemarathon. Der zweite Arzt,
Universitätsprofessor und Leiter der Orthopädie der Unikliniken, diagnostizierte
zusätzlich eine Steilstellung der Oberschenkelknochen. Er schlug sogleich eine OP
für die Hüfte vor:
Triple-Osteotomie und ggf. Umstellung des Oberschenkelkopfes.
Und zwar noch diesen Sommer. Das war 2001
Das musste ich erst einmal verarbeiten. Ich informierte mich im Internet und
stellte fest, dass diese Operation keine Kleinigkeit ist. Betroffene schreiben,
dass sie teilweise bis zu einem Jahr bis zur vollständigen Genesung benötigten,
und auch die Erfolge, die die OP erzielt, sind sehr unterschiedlich. Tja, und das
hat mir absolut nicht gefallen...
Ich informierte mich weitergehend über künstliche Hüftgelenke, musste aber
feststellen, dass das keine Lösung für Jugendliche ist.
Als nächsten Schritt vereinbarte ich einen Termin bei der
Magnetresonanztomographie (MRT); denn bevor ich mich wirklich zu dieser Triple-OP
entschliessen sollte, wollte ich doch genauer geklärt haben, wie es genau mit
meiner Hüfte, insbesondere mit dem Knorpel aussieht.
Das Resultat war, dass die
Steilstellung wesentlich geringer war als vermutet: links 132 Grad und rechts 135
Grad. Ausserdem waren sowohl Knochen als auch Knorpel in einwandfreien Zustand.
Ja und der Witz war, die Hüftdysplasie, war nun wohl doch nicht so gravierend.
Ich wechselte wieder die Uniklinik und stellte mich der Oberärztin vor. Diese war
äusserst verwundert, dass bisher keine Krankengymnastik empfohlen bzw. verschrieben
wurde. Da ich mich zu dem Zeitpunkt bereits in der Abschlussklasse befand, empfahl
sie mir bis zum Ende des Schuljahres zu warten und dann die Lage neu zu beurteilen.
Inzwischen wurden die Schmerzen immer unerträglicher. Mein Glück war, dass ich
im Internat lebte und so einen Schulweg von nur 2 Minuten hatte. Aber trotzdem
konnte ich an manchen Tagen vor Schmerzen nicht mehr aus dem Bett. Die
Betroffenheit der Mitbewohner, die mich noch vor ein paar Monate auf dem Spielfeld
in Aktion gesehen hatten, verschlimmerte meine eigene Frustration nur noch.
Ich wollte nicht behindert sein!
Die Hockeyschläger blieben zu Hause, das Mannschaftstrikot und die Schoner auch.
So langsam wurde mir klar, dass das für immer ist. Ich passte meinen Tagesablauf
an die Behinderung an. Ostern 2002 hatte ich jegliche Hoffnung auf ein schmerzfreies
Leben aufgegeben. Ich wusste vor Schmerzen gar nicht mehr, wie ich sitzen, gehen
oder liegen sollte.
Mir ging es sehr schlecht und ich war sehr verzweifelt. Bei wie vielen Ärzten war
ich nun schon gewesen, doch jeder erzählte mir etwas anderes. Als meine Mutter mir
für die Osterferien einen neuen Orthopädentermin ankündigte, sagte ich: "Nein". Ich
hatte keine Lust mehr...
Hinzu kam noch, dass ich erst ein paar Tage zuvor von meinem Kinderarzt die
Ergebnisse der U3 erfahren hatte. Zu der Frustration über das Jetzt kam noch die
Wut auf die Ärzte, die es feststellen hätten müssen und es nicht getan haben.
Aber meine Mutter blieb stur. Der Termin steht, und der Orthopäde gilt als einer
der besten Deutschlands. Also fuhr ich mit ihr in seine Praxis im Spessart. Dieser
Mittwoch Anfang März sollte mir wieder Hoffnung geben. Er schaute sich das ein
Jahr alte Röntgenbild an und hörte sich den Verlauf meines Ärztemarathons an.
Dann lächelte er und teilte mir mit, dass meine Hüftdysplasie nicht unmittelbar
das Problem sei und somit die Erfolgsaussichten der vorgeschlagenen OP nicht gut
wären.
Denn die Fehlstellung der Hüfte und der Oberschenkel haben dafür gesorgt, dass
alle Gelenke unterhalb der Hüfte und die LWS fehlbelastet und zusätzlich wegen
meinem Leistungssport überbelastet sind. Meine Hüftschmerzen halten sich in
Grenzen, viel schlimmer sind meine Knie- und Rückenprobleme.
Seine Diagnose: ISG-Syndrom (Ileosakralgelenksyndrom), LWS-Syndrom sowie eine
muskuläre Dysbalance im Wirbelsäulenbereich. Ausserdem eine Beinlängendifferenz
von einem guten halben Zentimeter.
Schon wieder eine andere Meinung und in seiner Funktion als Chiropraktiker gefiel
er mir auch nicht sonderlich, dieses Geknacke konnte doch einfach nicht gesund
sein, geschweige denn helfen. Zu guter letzt bekam ich noch 10 Mal Krankengymnastik
"und mir ist es egal, ob du Abitur schreibst" mit auf den Weg. In 6 Wochen den
nächsten Termin.
Am nächsten Tag waren meine Schmerzen wesentlich geringer. Ins Internat
zurückgekehrt, fing ich sofort mit der Krankengymnastik im nahe gelegenem
Krankenhaus an. Nach zwei Wochen war ich ein neuer Mensch. Ich war zeitweise
schmerzfrei. Ich hatte gar nicht mehr gewusst, was das ist. Bis zu Studienbeginn
wurde es mit jedem Besuch besser. Tja und wenn es einem gut geht, wird man wieder
nachlässiger...
Die körperliche Anstrengung (Büchertragen, endlos Treppensteigen, kurze Nächte
bis gar kein Schlaf, usw.) bereiteten meinem Wohlergehen Rasch ein Ende. An
Weihnachten war ich wieder da, wo ich Ostern aufgehört hatte. Es war klar, dass
drastische Veränderungen notwendig waren. Ich wechselte an eine kleinere Uni, wo
die Wege kürzer waren und verordnete mir selbst wieder einen krankheitsgerechten
Tagesablauf. Dazu bekam ich "donaŽ200-S"(Glycosaminsulfat) verschrieben, sowie
Krankengymnastik verordnet. Im März war ich wieder schmerzfrei.
Fazit
Nach langer Zeit und vielen vielen Arztbesuchen habe ich es geschafft meine
Schmerzen in den Griff zu kriegen. Sicher wird es Rückschläge immer wieder geben,
so haben die Tabletten zu einer Gewichtszunahme geführt, so dass ich sie wieder
absetzten musste, obwohl sie geholfen haben.
Die Reglung ist klar:
Keine unnötigen Belastungen, Krankengymnastik, möglichst kein Stress und kein
Pfund zuviel auf der Waage. Sport in Massen, dass heisst etwas Laufen, Radfahren,
Schwimmen, spezielle Gymnastik.
Sicher kein Vergleich zu meinem sportlichen Leben von vor zwei Jahren, aber besser
als die Krankenhaus- oder gar Rollstuhl-Prognose, die manche Ärzte zum Besten gaben.
Ich habe meine Hüfte akzeptiert, und mein Leben nach ihr ausgerichtet, so habe
ich meine Lebensfreude wieder erlangt und kann so relativ unbeschwert meinen Weg
weiter gehen. Was mir die Zukunft bringt, ob ich letztendlich von einer Operation
verschont bleibe oder in wie weit sie sich hinaus zögern lässt, weiss ich nicht.
Ich hoffe auf den medizinischen Fortschritt. Vielleicht ist es ja bald möglich
auch nicht operativ eine endgültige Lösung zu finden. Die Hoffnung sollten wir
nie aufgeben, auch wenn die Krankheit sicher nie ganz aus unserem Leben verschwindet.
Allen Betroffnen wünsche ich viel Kraft und eine schmerzfreie Zukunft.
Sarah, 8.7.03
Die hier veröffentlichten Erfahrungsberichte geben die subjektive Meinung der
betreffenden Personen wieder. Eine Zustimmung zur Veröffentlichung liegt mir von
den jeweiligen Personen vor. Ich übernehme keine Haftung für die Richtigkeit
und/oder Vollständigkeit der Beiträge. Bitte beachtet auch den Haftungsausschluss!
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